ERHEBT EUCH | BEFREIT EUCH | TROMMELT | TANZT!
ONE BILLION RISING DEUTSCHLAND
  • Aktuelles
    • Veranstaltungen
  • OBR 2015
    • Reform des §177 StGB
    • Hilfetelefon Jahresbericht
    • #BringBackOurGirls
    • OBR VERANSTALTUNGEN
    • DOWNLOADS >
      • Städte-Logos
      • Flyers
    • MUSIC TO RISE TO >
      • Break the Chain
  • OBR 2014
    • RISING FOR JUSTICE
    • FORDERUNGEN >
      • SCHUTZ UND UNTERSTÜTZUNG
      • EIGENSTÄNDIGE EXISTENZ
      • DARSTELLUNG IN DEN MEDIEN
      • LOKALE FORDERUNGEN
    • OBR VERANSTALTUNGEN - Deutschland >
      • Eve Ensler in Deutschland
    • LIEBE AKTIVISTINNEN UND AKTIVISTEN...
    • GALERIE
  • BLOG
  • V-DAY DEUTSCHLAND
    • SPOTLIGHT MONOLOGE
    • Gebet für Männer
  • KONTAKT
    • Impressum

Über Bauchschmerzen, „Opferdiskurs“ und Selbstermächtigung

11/1/2014

3 Comments

 
Unsere Gruppe hat mit Begeisterung im letzten Jahr an One Billion Rising teilgenommen: Eine internationale Aktion gegen Gewalt gegen Frauen, die Aufmerksamkeit erzeugt und Frauen, unabhängig von ihrem Organisationsgrad mobilisiert, fanden und finden wir toll.

Durch die überregionale Mobilisierung, und viele kleine dezentrale Aktionen, war es auch vergleichsweise einfach eine beachtliche Zahl von Frauen auf die Straße zu bringen und öffentlichen Raum für die gemeinsame Sache einzunehmen.

Deshalb war es für uns klar, dass wir auch in 2014 wieder dabei sein wollen und wir luden kurzerhand zum Vernetzungstreffen ein. Dort war schnell feststellbar, dass es unterschiedliche Sichtweisen zur Herangehensweise gab, die uns letztlich zum Entschluss führten in 2014 auszusetzen, weil wir uns mit der vor Ort gewünschten Ausrichtung nicht wohl fühlen. Herzlich bedanken möchten wir uns bei den Deutschland-Koordinatorinnen, die uns die Möglichkeit geben auf diesem Blog unsere Sichtweise darzulegen und unsere Gedanken mit anderen zu teilen. Für das nächste Jahr haben wir uns vorgenommen früher mit der Vorbereitung zu beginnen um mehr Zeit zur gemeinsamen Diskussion und Erarbeitung einer Aktion, mit der sich alle wohl fühlen, zu haben. 

Zu unseren Bauchschmerzen im Einzelnen:

I. 


Der Wunsch auf den "Opferdiskurs" zu verzichten, und die Aktion "positiv" auszugestalten, liegt uns schwer im Magen. Die Eliminierung von Opfern halten wir für eine neoliberale Strategie um Unterdrückungsverhältnisse, auch geschlechtsspezifische, zu negieren und damit gleichzeitig zu legitimieren.

Opfer werden als schwach, passiv und hilflos dargestellt. Dem wird entgegengesetzt, dass verletzbare Personen eine Reihe von Strategien entwickeln müssen um mit ihrer Situation klarzukommen, und dass deshalb die Bezeichnung als "Opfer" falsch sei, denn die Person sei ja nicht schwach und hilflos, sondern vielmehr mutig und stark. In der neoliberalen Definition wird das "Opfersein" zum Charakteristikum: Wir können entweder wehrlose Opfer sein oder aktive Subjekte, aber nicht beides auf einmal. Es wird ein Dualismus kreiert, die Bezeichnung Opfer wird zum Schimpfwort (wer kennt das nicht von Jugendlichen die ihre Mitmenschen als "Du Opfer" beschimpfen?).

Nach dem Duden wird eine Person als Opfer bezeichnet, die durch jemanden oder etwas umkommt oder Schaden erleidet - über den Charakter dieser Person wird dabei nichts gesagt. Es geht nur darum, dass jemand einen Menschen schlägt, ausraubt, betrügt, oder ihr sonst irgendwie Leid zufügt.

Dem steht diese andere Umdefinition gegenüber, nach der eine Person unverletzlich ist, und ein aktives Subjekt, und die größte Gewalt, die ihr angetan werden kann, ist die, sie ein "Opfer" zu nennen. 

Unser Problem mit dieser Betrachtungsweise ist in erster Linie, dass es dort wo es keine Opfer gibt, auch keine Täter gibt: Täter werden ausgeblendet und ihre Aktionen, ihre Motivationen, ihre Machtposition werden ausgeblendet. Den Dualismus entweder handelndes Subjekt oder wehrloses Opfer zu sein, finden wir problematisch, denn es handelt sich nicht um ein Gegensatzpaar, sondern beides geht zusammen. Der Gegensatz zu handelndes Subjekt ist Objekt. Der Gegensatz von Opfer ist nicht Subjekt, sondern Täter. Selbstverständlich kann ein Opfer, als Objekt gegen das sich die Aggression/Gewalt des Täters richtet, noch denken, fühlen, handeln. Und manchmal wählen Menschen bewusst die Unterordnung zum Täter, da er sich in einer solchen Machtposition befindet, dass jegliches Wehren die Situation verschlimmern würde/könnte. In der Logik der Argumentation des Neoliberalismus ist es hingegen dann nicht mehr erstaunlich, wenn ein "Nicht-Nein-Sagen" auch vor Gericht als  "Ja" gewertet wird. Für uns ist der Fokus auf die Täter wichtig, denn egal wie das Opfer sich verhält: Es wird ihm zugefügte Gewalt nicht immer effektiv verhindern können. Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen kommt nicht umhin beim Aggressor anzusetzen. Wir wollen in einer Gesellschaft leben, in der wir nicht alltäglich Gewaltsituationen unterschiedlichster Art ausgesetzt werden und in der wir nicht unsere meiste Energie darauf verwenden, wie wir uns in die Lage versetzen können uns in einer entsprechenden Situation, mit etwas Glück, effektiv wehren zu können (und einer Täter-Opfer-Schuldumkehr ausgesetzt zu werden, wenn wir dabei „versagt“ haben). Wir können noch so stark und wehrhaft sein, in den vielfältigen Machtverhältnissen, denen wir ausgesetzt sind, gibt uns dies keinen ausreichenden Schutz. Die Reflektion über diese Machtverhältnisse entmächtigt uns nicht, sondern - im Gegenteil - sie gibt uns die Kraft gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeit laut zu werden, aufzubegehren und diese in Frage zu stellen. Denn nicht die Opfer, sondern die Täter sind das Problem.

II.

Als autonome Frauenstruktur ist es uns wichtig, dass wir keine Männer brauchen um politisch aktiv zu werden. Oft genug erleben wir, dass das Wort einer Frau nicht genau so viel zählt wie das eines Mannes. Ein Mann in einer Gruppe wird mehr wahrgenommen, sein Wort hat mehr Gewicht. 

Dies resultiert aus einem System, in dem Frauen durch ein vernetztes Gefüge von sozialen, wirtschaftlichen, politischen und rechtlichen Machtstrukturen Nachteile gegenüber Männern haben. Diese Strukturen dienen letztendlich der Unterdrückung der Frau, denn sie statten Männer insgesamt mit Privilegien und besonderen Rechten aus. Diese Privilegien umfassen alle Aspekte des Lebens von Männern. Bedauerlicherweise verwechseln Männer diese Privilegien mit natürlichen, ihnen angeborenen Rechten.

Es reicht deshalb nicht für Männer keine Gewalt auszuüben oder respektvoll mit Frauen umzugehen. Auch der netteste, empathischste Mann profitiert von Sexismus. So funktioniert Unterdrückung. Das ist kein Vorwurf, sondern eine Feststellung. (Laurie Penny hat dazu einen treffenden Artikel geschrieben, Of course all men don’t hate women. But all men must know they benefit from sexism   http://www.newstatesman.com/2013/08/laurie-penny/men-sexism)

Verhaltensweisen, die Dominanz ausdrücken, wurden Männern von Geburt an beigebracht, genauso wie Frauen dazu sozialisiert wurden immer nett, freundlich und gut zu sein. Sich aus dieser Sozialisation zu befreien ist ein Prozess. Männer können nicht wissen wie es ist als zweites, „schlechteres“ Geschlecht sozialisiert worden zu sein, denn sie teilen diese Erfahrung nicht.

Frauen schulden Männern tatsächlich nichts, weder ein Lächeln, noch Raum, noch irgendetwas. Alleine der besondere Wert, der auf die Beteiligung von Männern bei One Billion Rising gelegt wird, betont wieder die übliche Frauenrolle der netten und guten, die ja Männer einladen will und es sich nicht erlauben darf, ihren Raum für sich alleine und exklusiv zu bestimmen, denn dann wäre sie ja aggressiv und böse. Das darf nicht sein, obwohl Frauen wohl das Recht zugestanden werden muss, sich so zu fühlen und zu geben wie sie möchten, nach umfassender Gewalterfahrung, auf die eine oder andere Art und Weise, die viele von uns gemacht haben. Wieso müssen und sollen Frauen sogar an einem Tag gegen Gewalt, deren Opfer sie mehrheitlich sind, stereotype Erwartungen an sie als „Frauen“  fortsetzen, obwohl diese Erwartungen ja letztendlich auch zur Gewalt geführt haben. Vielleicht fühlt sich die ein oder andere Frau, die Gewalt erleben musste unwohl in der Gegenwart von Männern, die unbewusst männliche Dominanz ausstrahlen.

Studien schätzen, dass bis zu 30% aller Frauen in allen Ländern der Welt die Opfer von Gewalt durch Männer geworden sind, deshalb findet One Billion Rising ja überhaupt statt. Viele glauben, dass diese Zahl sogar zu niedrig angesetzt ist. Es kann deshalb nicht von Frauen erwartet werden zu glauben, dass Männer „sicher“ sind. Nur weil beteiligte Männer behaupten, gegen Gewalt zu sein, heißt das nicht, das dies wirklich so ist. Gerade traumatisierte Menschen wissen, dass der Wolf sich häufig im Schafspelz versteckt, und gerade an einem Tag wie OBR geht es um Frauen, und nicht um die Bedürfnisse und verletzten Gefühle von Männern, die sich ausgeschlossen fühlen könnten.

Es ist auch nicht die Aufgabe von Männern Frauen zu beschützen, denn das können sie selbst. Es ist die Aufgabe von Männern Solidarität zu zeigen und die Wünsche von Frauen zu respektieren und nicht die übliche Geschlechteraufteilung in starke beschützende Männer und arme, missbrauchte Gewaltopfer fortzusetzen.

Wenn Männer sich wirklich und aufrichtig mit Gewaltstrukturen und ihrer eigenen Sozialisation beschäftigt haben, wären sie schon vor OBR organisiert gewesen und hätten als organisierte Gruppe um eine Art der Beteiligung als Zeichen der Solidarität gebeten (zum Beispiel Zero Macho in Frankreich (http://tinyurl.com/ogcgyw7), oder Real Men dont buy girls (http://tinyurl.com/no2jzqs) Echte Männer kaufen keine Frauen (http://tinyurl.com/nraj48h)). Das würde und sollte sogar ausdrücklich willkommen geheißen werden. Unter allen anderen Umständen ist unserer Meinung nach eine Beteiligung und „Integration „ von Männern in OBR abzulehnen. Es ist nicht die Aufgabe von Frauen, Männer zu erziehen oder sich um sie zu bemühen, damit sie sich „integrieren“ können.

Wir sehen in One Billion Rising ein großes Potenzial für Selbstermächtigung und Besetzung des öffentlichen Raums. Eine Möglichkeit laut aufzuschreien gegen die Unterdrückung von Frauen im Hier und Heute. Wir meinen: Wir sollten unsere Kraft als Frauen, die solidarisch zusammenstehen, nicht unterschätzen. 

LISA Wiesbaden



3 Comments
S.
12/2/2014 02:59:26 am

Schön, dass es auch auf der offiziellen OBR Deutschland Seite diese Diskussion geführt werden darf.

"Für das nächste Jahr haben wir uns vorgenommen früher mit der Vorbereitung zu beginnen um mehr Zeit zur gemeinsamen Diskussion und Erarbeitung einer Aktion, mit der sich alle wohl fühlen, zu haben."

Ich setze mich für 2014 auch aus - aber aus den umgekehrten Gründen. Für mich war es problematisch, dass das Thema für 2014 (Rising for Justice) von V-Day vorgegeben wurde, nachdem die regionalen Vorbereitungen schon längst begonnen hatten. Die beiden Konzepte passten nicht zusammen.

Auch bedeutet Gerechtigkeit für mich etwas anderes als die politischen Forderungen von den Frauenverbänden.

Zu den konkreten Punkten möchte ich Folgendes anmerken:

1. Es gibt auch unter Gewaltbetroffenen unterschiedliche Sichtweisen, welche Bezeichungen was bedeuten. Opfer, Betroffene, Überlebende.... Für mich ist das Wort Opfer wichtig, weil das Justizsystem körperliche sexuelle Übergriffe oft als “keine Gewalt” und damit “nicht strafbar” deutet. Somit gibt es dann offiziell keine Opfer und auch keine Täter. Und der Täter darf das auch weiter machen, weil nicht strafbar…

Böse Zungen sagen, dass die Anzeige dann ungerechtigt war, und dass ein Sensibelchen überreagiert hat, um einem armen Unschuldigen Schaden anzurichten.

Diese Aspekte fehlen mir in den Forderungen der Frauenverbände. Rechtsanspruch auf Hilfe bei häuslicher und sexueller Gewalt zu fordern ist schön und gut - in der Praxis haben aber Betroffene das Problem, dass die Tat nicht als sexuelle Gewalt anerkannt wird und die Hilfen für sie nicht in Frage kommen. Hilfssystem darf sich also nicht auf häusliche und sexuelle Gewalt beschränken - zumal auch Raubüberfall mit schwerer Körperverletzung auf der Strasse für Betroffene nicht minder schlimm ist.

Was mir auch persönlich wichtig ist: ein Opfer muss sich nicht nur als Opfer definieren. Ein Opfer ist in allererster Linie ein Mensch mit vielen Fähigkeiten.

Gerechtigkeit für mich bedeutet daher auch, dass ein Gewaltopfer nach der Tat auch weiterhin in der Gesellschaft normal leben kann ohne stigmatisiert oder benachteiligt zu werden.

Für Menschen, bei denen nichts mehr geht, ist ein Hilfssystem wie finanzielle Absicherung wichtig. Für andere ist es aber wichtig, dass sie weiterhin in ihren Berufen arbeiten, ihre Lebensträume verwirklichen und eigenes Geld verdienen können - und wollen nicht als arme hilfsbedürftige Menschen 3. Klasse behandelt werden. Diese Solidarität mit Opfern kann man nicht durch Gesetze erzwingen, sondern da muss sich die Gesellschaft umdenken.

Im Grund genommen ist derzeit eine Verurteilung des Täters so wichtig, weil ein Opfer sonst auch keine Anerkennung als Opfer hat.

2. Für mich ist es sehr wichtig, dass Männer sich beteiligen können. Mir geht es nicht um Frauen (egal ob Opfer oder Täterinnen), sondern um Opfer (egal ob Mann* oder Frau*). Denn nur so können Gewaltspirale unterbrochen werden. Ein Opfer heute kann morgen auch Täter oder Täterin werden.

Und ich finde wichtig, dass Betroffene reden dürfen, dass Betroffene erziehen dürfen, ohne dass ihnen gesagt wird, dass sie wegen der eigenen Betroffenenheit die andere Seite nicht sehen können. (Und es ist auch nicht so, dass Frauen oder gar Fachberaterinnen oder Feministinnen per se Verständnis für Gewaltbetroffene haben!)

Für mich war OBR 2013 toll, weil Betroffene selbst aktiv werden konnten, weil Betroffene gesehen wurden, und weil man mit der Aktion die Normalbürger ansprechen konnte. Man konnte das Thema ohne feminisitische Floskeln ansprechen.

Das fehlt mir bei OBR4Justice 2014.

Ich habe mitbekommen, dass OBR 3 Phasen haben soll. Vielleicht wäre es gut, wenn man schon jetzt weiß, was V-Day für die Phasen 2 und 3 vor hat?

Reply
rutrie
12/2/2014 07:44:41 am

mir fehlt die Problematisierung,wenn der "überlebenden"(diese Bezeichnung gefällt mir noch am besten für mißhandelte Frauen!)geraten wird,den Täter anzuzeigen!!
ganz viele Frauen machen bei bulle_tt_erei und gericht die ganze mißhandlung mindestens nochmal verbal mit(hat sie sich gewehrt,hat sie ihn angestachelt;versucht sie,das ohne Gegenwehr über sich ergehen zu lassen,wird das als "mitmachen" gewertet,bewertung der Kleidung als anstachelnd etc.).
und Männer werden im knast nicht besser!
bei den Protesten will ich keine typen dabeihaben,weil die meisten der mißhandelten Frauen(und ich gehe davon aus,daß jede frau schonmal von einem typen mindestens "übergriffig" behandelt wurde!)erstmal genug von männern haben und es schon reicht,wenn sie die in ihrem alltag sehen und erleben müssen!!
FEUER UND FLAMME FÜRS PATRIARCHAT!

Reply
Maya link
30/11/2020 02:36:57 am

Niice blog thanks for posting

Reply



Leave a Reply.

    Archives

    March 2015
    February 2014
    January 2014

    Categories

    All

    RSS Feed

Picture
Instagram
Picture
One Billion Rising Deutschland  |  V-Day Deutschland

Alle Rechte vorbehalten  |  Created by Ivana Smith   |  Unterstützt von UTZ Webdesign  |  Impressum  |  Shop